Im Oktober 2019 begann ich mein Musikstudium für Jazz-Gesang und hatte im ersten Semester unter anderem Theorie im Gruppenunterricht für Klassik und Jazz. Dieser Unterricht war die einzige Schnittstelle, die wir mit diesem Dozenten hatten. Mir war es wichtig, gewissenhaft die Inhalte zu verstehen und habe ihm manchmal meine Nachfragen zu den Themen per Mail geschickt. Im Verlaufe der Korrespondenz lud er mich ein, sich mit ihm zu treffen, weil er ein Stück vertont habe und mich dazu gerne singen hören möchte. Ich war offen für das musikalische Projekt und so schrieben wir weiter diesbezüglich. Im Dezember lud ich ihn zu einem Auftritt von mir und meiner Gruppe in der Hochschule ein. Er kam und schrieb mir später: „So harmonisch können ja nur zwei glücklich Verliebte miteinander singen“. Ich antwortete ihm, dass es stimmt, dass mein Freund und ich uns gerade näher kommen. Daraufhin erhielt ich von ihm auf WhatsApp Nachrichten, die mich an dem Abend ziemlich verstörten. Er hatte sich erhofft, dass wir uns näher kommen würden und hat sich nicht enthalten, mir eine lange Nachricht seiner Bedürfnisse und Gedanken zu schicken. Und wie ihn das so stark verletzen würde, dass es sich gerade so entwickelt. Hat sein Profilbild plötzlich geändert in ein dunkles Bild einer weinenden weiblichen Figur. Hat im Gruppenunterricht „Gloomy Sunday“ mitgebracht und mit uns durchgenommen. Und ich habe mich schuldig gefühlt, habe mich gefragt, ob ich falsche Zeichen gesendet und es nicht bemerkt habe. Gleichzeitig habe ich die Welt nicht verstanden – Wie konnte ein Mensch innerhalb so kurzer Zeit und mit relativem Abstand (Gruppenunterricht 1x die Woche) so stark reagieren? Später schrieb er mir erneut und löste es auf: Dass „speziell auch asiatische Frauen in den letzten dreizehn Jahren meines Lebens schon eine besondere Rolle gespielt hat/haben“. Ich verstand – es hatte nichts mit mir zu tun. Aber wegen meines „asiatischen“ Aussehens hat er seine Vergangenheit auf mich projiziert. Hätte ich anders ausgesehen, wäre diese Problematik mit mir womöglich nie entstanden. Nun befinde ich mich gegen Ende meines Studiums. In den letzten vier Jahren habe ich es nur meinem Freund erzählt, weil ich die Harmonie in der Gruppe nicht stören wollte und ich wusste nicht, was es für Konsequenzen gegeben hätte, hätte ich etwas gesagt während er mich noch unterrichtet. Ich wollte eventuelle gehässige Aktionen seinerseits vermeiden. Jetzt habe ich keinen Unterricht mehr bei ihm und denke, dass mein stiller Umgang mit der damaligen Situation nicht richtig war. Es braucht Raum für Veränderung. Keine Angst. Kein sich klein machen.