Ich hatte während meines Studiums ein Firmenstipendium bei einem großen Label. Drei Jahre lang habe ich viel und anfangs auch gerne in dem Laden gearbeitet. In den ersten zwei Jahren war es noch mein Ziel, nach dem Studium für eine offene Stelle in Betracht gezogen zu werden, im dritten Jahr hatte ich immer weniger Lust auf das ewig coole Business-Gehabe. Auf der letzten großen Vertriebsparty, die ich als „Werksstudentin“ noch miterleben sollte, sprach mich zu später Stunde dann ein Mann in hoher Position an, der mit mir noch nie zuvor ein Wort gewechselt hatte und fragte mich, merklich alkoholisiert, nach meinen Zukunftsplänen. Als ich ihm mitteilte, dass ich die Firma in wenigen Wochen verlassen werde, fragte er mich, für welchen Job ich bereit wäre, zu bleiben. Ich sagte ihm, dass ich anfangs gerne Produktmanagerin geworden wäre, aber meine Pläne sich geändert hätten. Daraufhin sagte er, er würde mir den Job hier und heute in die Hand versprochen. Seine Begründung: „Wir brauchen Frauen mit Deiner Optik! Wenn Du Dein Aussehen richtig einsetzt, kannst Du jeden Verhandlungspartner über den Tisch ziehen!“ Als ich ihm daraufhin entgegnete, dass ich nicht nach meiner Optik, sondern meiner Arbeit bewertet werden möchte, meinte er, dass er von dieser auch vollends überzeugt sei. Auf meine prüfende Rückfrage, in welcher Abteilung ich die letzten drei Jahre denn gearbeitet hätte, wusste er keine Antwort. Ich war so sauer in dem Moment, dass ich meinem Unmut über diese völlig unangemessene und sexistische Besetzungspolitik lautstark Luft machte. Mit dem Ergebnis, dass meine männlichen Kollegen mich am nächsten Tag als überheblich titulierten, weil ich diese „einmalige Chance“ so arrogant und undankbar abgeblockt hätte. Ich bin sehr froh, mittlerweile die Branche gewechselt zu haben.