Ich war gerade 17 geworden, die Person über die ich sprechen werde 30 zu dem Zeitpunkt. Ich war mit einer Freundin auf einem Festival. Sie kannte eine Person aus einer Band die dort spielte und wir befanden uns nach deren Konzert im Backstage. Eigentlich hatten wir ne gute Zeit. Viel gelacht, gute Gespräche geführt und viele Freigetränke genossen. Die Band war in einem Hotel in der Nähe einquartiert und schlug uns vor doch auch dort die Nacht zu verbringen, da kurzfristig ein Zimmer frei geworden war. Uns kam das gelegen weil wir uns dadurch einen langen Heimweg sparten. Alles so weit so gut. Je mehr Alkohol floss desto näher kam mir eine der Personen aus der Band. Mir war zu dem Zeitpunkt schon unwohl. Irgendwann spät in der Nacht bewegte sich die Gruppe Richtung Hotel, meine Freundin hatte ich da jedoch schon länger aus den Augen verloren. Ich war nicht im Zustand zu klären, dass ich ein eigenes Zimmer möchte und so fand ich mich wenig später mit ihm in einem Zimmer mit Doppelbett wieder. Irgendwie akzeptierte ich die Situation bzw. versuchte es zumindest. Vielleicht dachte ich das müsste jetzt so sein. Ich legte mich hin, versuchte zu schlafen. Zwei Augenblicke später spürte ich seine Berührungen, seine Hände auf mir, an mir, in mir. Meine Erinnerungen sind schwach, sehr verzerrt und deliriös. Aber ich weiß dass ich nein gesagt habe, ich weiß dass ich mich versucht habe zu wehren, sofern es mir der Alkohol erlaubte. Und ebenfalls dass er wusste wie sehr der Alkohol mich betäubt hatte. Ich schlief kaum in der Nacht weil entweder seine Berührungen mich wach hielten oder die Übelkeit mich ins Bad zwang. Er hörte nicht auf mich anzufassen, hielt mich fest und die Zeit krümmte sich in eine Richtung die ich nicht verstand. Mein ganzer Körper schmerzte. Am nächsten Tag saßen wir alle beim Frühstück. Ich lächelte, schämte mich und drückte mein Croissant runter. Er fragte mich irgendwann wie alt ich eigentlich sei, ich log um ihm kein schlechtes Gefühl zu geben. Zuhause die Pille danach und ab da versucht das ganze zu vergessen. Ich habe lange gebraucht um zu realisieren was in dieser Nacht wirklich passiert ist, dass es kein schlechtes „one-night-stand“ war, sondern Gewalt. Eine Trauma Therapie und vergangene Zeit später kann ich versuchen damit zu leben und schaffe das auch einigermaßen. Aber es hat sehr sehr viel Zeit gebraucht um das alles besser zu verstehen. Zeit um mir einzugestehen, dass das gegen meinen Willen passiert ist, dass meine Erinnerungen real sind. Und dass mein Trauma berechtigt ist und ich Betroffene eines sehr großen strukturellen Problems bin. Warum bin ich mit in das Hotelzimmer gegangen? Warum habe ich mich nicht mehr gewehrt? Warum habe ich so viel Alkohol getrunken? Warum habe ich ihn nicht angezeigt, zum Schutz für andere? Habe ich wirklich nein gesagt? Das sind Fragen die ich mir manchmal immer noch stelle, obwohl ich die Antworten inzwischen eigentlich kenne. Diese Band spielt weiter Konzerte. Er lebt sein Leben weiter, ohne Konsequenzen. Und auch wenn es mir schwer fällt hoffe ich, dass ich die einzige und letze war, der er sowas angetan hat.