Ich, FLINTA*, Mitte zwanzig war auf einem Konzert von einem relativ bekannten deutschen Rapper, der sich “links” einordnet und, im Vergleich zu anderen, recht reflektiert und feministisch auftritt. Über Ecken habe ich ihn und seine Crew nach einem Konzert kennengelernt und wir hatten zuerst einen netten Abend, der für mich übel geendet ist. Wir sind in einen Club gegangen. Da haben wir die Crew mit zwei Girls getroffen, die recht dizzy wirkten, also wie auf Drogen (ich hoffe, es ging euch gut). Ich war recht fit, hatte getrunken, aber hab mich gut gefühlt. Ich habe getanzt und erst ein Bier und ein Mischgetränk aus der Flasche getrunken. Das Bier habe ich mir geholt. Das Mischgetränk hat mir ein Typ aus der Crew ausgegeben. Das Getränk hatte er allein geholt, ich habe nicht gesehen, wie die Flasche geöffnet wurde. Nach etwa 20-30 Minuten ist mir plötzlich schwindelig geworden und ich bin direkt zum Klo und habe mich dort eingeschlossen. Ich wusste, irgendetwas ist komisch, ich fühlte mich plötzlich, als hätte ich ne halbe Flasche Vodka geext. Ich hab verschwommen gesehen, es hat sich alles gedreht und mir ist übel geworden. Danach habe ich einen Blackout von 6 Stunden. Erzählungen zur Folge hat irgendwer von den Secus die Tür aufgebrochen und mich aus dem Klo geworfen. WTF! Ich bin dann wohl rausgestolpert, einer Frau in die Arme, die mich in ein Taxi gesetzt hat und auf meinem Ausweis die Adresse gefunden hat. Ich bin um 7 Uhr vor meinem Haus aufgewacht. Ich erinnere mich an nichts. Ich bin mir sehr sicher, dass das Ko-Tropfen waren, weil ich schon häufiger mehr getrunken habe und mein Limit kenne. Einen Beweis hab ich nicht, da die Bullen sich geweigert haben, einen Test zu machen.Ich habe mit 4 verschiedenen Beamten gesprochen, musste immer wieder erzählen, was mir passiert war. Irgendwann, nachdem ich 1000 mal gesagt habe, dass ich jetzt endlich den Test auf Ko-Tropfen machen will, hat der Ober-Bulle von der Station auf die Uhr getippt und gemeint, dass die Nachweiszeit jetzt leider schon vorbei ist. 2,5 Std auf der Wache und pure Schikane. Mir wurde abschließend der Tipp gegeben, künftig weniger zu trinken und Parties mit Männern zu meiden. WTF! Ich bin mir sehr sicher, dass ein politischer Eintrag in meiner Akte der Grund war, weshalb sie diese Schikane besonders doll betrieben haben, aber so oder so ist mir damit ein zweites Mal Gewalt angetan worden. 1. die Person, die mich Ko-getropft hat und 2. Die Bullen, die mich schikaniert und nicht ernst genommen haben. Ich weiß dass ich damit nicht allein bin, vielen FLINTA* passiert sowas. Zu den Bullen bin ich nur weil ein Test im Krankenhaus 180-300€ gekostet hätte. Mein Vertrauen in die Bullen ist schon lange weg und das war das letzte mal, dass ich bei ihnen nach Hilfe gefragt habe. Nie wieder. ACAB! Warum ich euch schreibe? Ich kann natürlich nicht mit Sicherheit sagen, wer es war, aber ich habe den Verdacht, dass es der Typ aus der Crew war. Ich habe gelesen, dass die Tropfen meistens aus dem eigenen Umfeld kommen und es ist einfach logisch, weil es das letzte Getränk vor dem Blackout war. Es fiel mir sehr, sehr schwer mir das einzugestehen und ich habe mir lange eingeredet, dass das sicherlich ein Fremder war und wollte einfach nur vergessen. Sich einzugestehen, dass der Musiker, den man so abfeiert, mit dessen Songs und öffentlicher Person man sich identifizieren kann, Momente verbindet und eine emotionale Ebene hat, dass diese Person bzw. sein Umfeld einem (potenziell) Gewalt angetan hat, ist verdammt schwer. Sich einzugestehen, dass man einen verklärten Blick hat, dass man versucht hat zu schützen, zu vergessen, zu leugnen, nur um ein Bild zu erhalten, das längst beschädigt ist, ist hart. Es tut weh, die Songs zu hören, und es tut weh, sie nicht zu hören. Mit dem Zweifel verliert man da etwas Wichtiges. Das ist für mich genauso schlimm wie die Unsicherheit und der Blackout.Ich hab darüber nicht offen geredet und werde auch keine Namen nennen, aber ich wollte das teilen um zu zeigen wie versteckt und hinterhältig die patriarchale Gewalt ist und wie schwer es ist handfeste Beweise zu liefern, die gegen die patriarchalen Automatismen des: Nicht-Glaubens, des Absprechen von Erfahrungen, der Täter-Opfer-Umkehr, dem “du bist selbst Schuld wenn du…” oder “du hättest doch wissen müssen…”, dem dauernden Anzweifeln und dem Schützen von Tätern. Deswegen würde ich mich auch niemals trauen, dem Rapper meinen Verdacht zu äußern, auch wenn es recht logisch ist. Wir haben sogar geschrieben und er meinte, dass es ihm leid tut, was mir passiert ist. Zu fragen, ob ich einen Verdacht habe, sich zu reflektieren oder mit seiner Crew zu sprechen, ist aber nicht passiert. Da frag ich mich, wie normal ist es eigentlich für solche Leute aus dem Musikbusiness, dass sowas Fans auf Tour passiert? Wie sicher bin ich selbst in so “reflektierten” Kreisen? Wie viele solcher Fälle passieren, aber wir wissen nichts, weil niemand darüber redet, aus Scham, aus Angst oder aus Selfblame? Schreibt bitte in den Kommentaren, wer sowas auch erlebt hat, sprecht mit Freundinnen, fordert eine harte No-Liquid-Policy an der Clubtür, schreibt out-calls! Ihr seid nicht allein ❤️